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Kompetenzzentrum Vielfalt
Gute Beispiele

Interkulturelle Rentenlotsen in Frankfurt

Integrationslotsinnen und -lotsen sowie Rentenfragen – das ist seit inzwischen 15 Jahren Alltag in Frankfurt, wo rund 50.000 Bürgerinnen und Bürger mit Migrationshintergrund leben, die älter als 60 Jahre sind (Stand 2017). Und es werden immer mehr.

„Wie kommen denn diejenigen zurecht, die die Sprache nicht so gut kennen?“ fragte sich Vlade Ljujić, als er sich in den Neunzigerjahren um seine eigene Rente kümmerte. Damals hat der inzwischen 70-Jährige selbst noch gearbeitet. Das Thema Rente war ihm neu, die Terminologie erst einmal fremd. Weil es ihn interessierte, hat er sich informiert. Schließlich entwickelte er die Idee der Interkulturellen Hilfestellung in Rentenfragen und stellte sie dem Frankfurter „Amt für Multikulturelle Angelegenheiten“ (AmkA) vor. Daraus entwickelte sich 2002 in Kooperation mit dem städtischen Versicherungsamt und der Deutschen Rentenversicherung Hessen das heutige Projekt. Seitdem haben sich über 50 Vertreterinnen und Vertreter aus Migrantenvereinen und religiösen Zuwanderergemeinden zum Thema Deutsche Rentenversicherung schulen lassen, zurzeit sind 15 aktiv. Die qualifizierten ehrenamtlichen Rentenhelferinnen und -helfer begleiten und unterstützen Antragstellerinnen und Antragsteller in verschiedenen Sprachen, denn ansonsten werden Beratungen nur auf Deutsch angeboten. Das Angebot wendet sich an in Frankfurt lebende Migrantinnen und Migranten, die einen Rentenantrag stellen wollen.

„Viele wissen nicht so genau, wie das gesetzliche Rentensystem funktioniert“, sagt Dr. Hüseyin Akpinar, der von Anfang an mit von der Partie ist. „Dann erkläre ich erst mal Grundsätzliches.“ Er informiert in Deutsch oder Türkisch. Auch ist vielen, die mit Schicht- und Akkordarbeit gut verdient haben, nicht bekannt, dass dies für die Rente nicht zählt. Oft übernimmt Hüseyin Akpinar nicht nur die Rolle eines Betreuers, sondern tröstet und ermutigt auch.

Ignazio Contu ärgert sich über Fälle, wenn Hilfesuchende 40 Jahre in Deutschland gearbeitet haben, aber nur zwei Jahre Versicherungszeiten aufweisen können. „Meine Arbeit ist es, zu vermeiden, dass Leute in Not geraten.“ Li-Chiung Hilbert-Young stellt fest, „Rentenangelegenheiten sind kompliziert“, und zählt Besonderheiten auf, wie die deutsche Wiedervereinigung oder die Rentenfragen von Spätaussiedlerinnen und -aussiedlern. „Zuerst habe ich viele Begriffe nicht verstanden, jetzt weiß ich mehr.“ Jedes Mal lernt sie dazu, denn jeder Fall ist individuell.

2006 wurde die Interkulturelle Rentensprechstunde im Frankfurter Versicherungsamt eingerichtet, wo sich die Ratsuchenden mit den Rentenhelferinnen und -helfern treffen. Seit 2011 wird das Projekt über das Landesprogramm WIR gefördert, und seit 2017 hat die GFFB gGmbH die Betreuung und Koordination übernommen. Zugewanderte Frankfurterinnen und Frankfurter, die ebenfalls in dem Bereich ehrenamtlich tätig werden möchten, können sich an die GFFB wenden.

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Quelle: „Engagement im Portrait – 15 Jahre Interkulturelle Hilfestellung in Rentenfragen“, Autorinnen: Patricia Baumjohann, Dr. Claudia Sabic und Susanne Schmidt-Lüer, Herausgeber: AmkA, 2018