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Kompetenzzentrum Vielfalt
Gute Beispiele

Wetzlar: Brücken für ein gutes Miteinander

Foto: Freiwilligenzentrum Mittelhessen

Seit 2013, als Wetzlar einer der sechs hessenweiten Standorten des Programms „Modellregion Integration“ war, gibt es in der Stadt Integrationslotsinnen und -lotsen. „Die Initiative erfolgte von der Stadt aus und sie beauftragte das Freiwilligenzentrum Mittelhessen mit der Umsetzung“, erinnert sich Karin Buchner, Leiterin des Zentrums. „Die Unterstützung war wichtig, denn dadurch erhielt das Projekt bald einen hohen Bekanntheitsgrad und unsere Lotsinnen und Lotsen konnten schnell loslegen.“ Inzwischen wurden über 70 Integrationslotsinnen und -lotsen ausgebildet, über 90 Prozent davon mit Migrationsgeschichte, etwa 15 Personen sind zur Zeit aktiv.

Lotsen ist Hilfe zur Selbsthilfe

Zu den Aktiven gehört auch George Bakhssar. „Mich bringt mein Engagement als Integrationslotse weiter: Es hat mir geholfen, meine Deutschkenntnisse zu verbessern und ich habe viele neue Kontakte geknüpft“, sagt der 30jährige Syrer, der 2015 Jahren nach Deutschland gekommen ist. Für seine Integrationslotsentätigkeit steht „Hilfe zur Selbsthilfe" an erster Stelle: Er erklärt, gibt Informationen weiter und zeigt verschiedene Möglichkeiten auf. „Entscheiden und machen müssen die Leute es aber selbst. Sie sind ja erwachsen und haben ihr Leben auch vorher selbst organisiert", sagt er und ergänzt: „Ich bin kein Dolmetscher. Sprache ist nur das Mittel zum Zweck, um zu erklären, warum und wie in Deutschland Dinge funktionieren. Wir Integrationslotsen sind Brückenbauer, so etwas wie eine Schnittstelle zwischen verschiedenen Kulturen.“ Und dieses Wissen und Verständnis kommt nicht nur Zugewanderten zugute: So engagiert sich George Bakhssar in einer Arbeitsgruppe zur interkulturellen Öffnung der Kreisverwaltung oder schult als Referent für das Freiwilligenzentrum zum Thema Interkulturalität. Neben seinem Studium leitet er das Projekt „Neu in Wetzlar“: Die mehrsprachige Webseite bietet Zugewanderten Tipps und Informationen zum Leben in Wetzlar.

Gute Koordinierung öffnet Türen

Die Stadt beteiligt sich an den Kosten für die Koordination der Integrationslotsen, macht den Zuschuss aber davon abhängig, dass das Freiwilligenzentrum die im Rahmen des WIR-Programms mögliche Aufwandsentschädigung an die Lotsinnen und Lotsen zahlt und entsprechende Förderanträge stellt. Damit geht ein erheblicher zusätzlicher Arbeitsaufwand einher, der nicht an Ehrenamtliche delegiert werden kann.

Überhaupt hat sich gezeigt, dass es für die Weiterentwicklung des Projekts hauptamtliche Ressourcen braucht. Sei es für die Begleitung und Beratung des Integrationslotsen-Teams, das strategische Agieren in den lokalen Netzwerken, für die Präsenz bei Veranstaltungen und vor allem im Kontakt zu Ämtern, Behörden und Institutionen. „Viele Ehrenamtliche, gerade mit Migrationsgeschichte, haben Probleme, im Umgang mit offiziellen Stellen „nein“ zu sagen. Als Hauptamtliche kann ich eher die zeitlichen und inhaltlichen Grenzen ehrenamtlichen Engagements deutlich machen“, sagt Karin Buchner.

Interkulturelle Zusammenarbeit

Gerne erinnert sie sich an die Anfrage des Klinikums Wetzlar von 2015, als das Lotsenteam über mehrere Monate einen kleinen Jungen aus Afghanistan bei seinem Aufenthalt im Krankenhaus unterstützte. „Nur 10 Minuten nach meiner Mailanfrage machte sich schon ein Lotse auf den Weg ins Krankenhaus, um das Kind zu besuchen. Das Team stimmte sich über die Monate ab und brachte teilweise die eigenen Kinder zum Spielen und Basteln mit. Zum Behandlungsende sprach der Kleine perfekt Deutsch, denn nur mit zwei Lotsen konnte er sich in der Heimatsprache unterhalten.“

Über die klassische Lotsentätigkeit hinaus hat das Team mehrere Workshops mit verschiedenen Ämtern durchgeführt. „Eine tolle Sache, denn so haben wir die Möglichkeit, zur interkulturellen Öffnung in der Verwaltung und der Stadt selber beizutragen.“ Ein interkulturelles Frühstück mit Auszubildenden des Lahn-Dill-Kreises soll den offenen Umgang mit unterschiedlichen Kulturen fördern.

Wichtige Erkenntnisse

Auch lernen Koordination und Team nie aus. Daher zum Schluss noch ein paar praktische Tipps aus Wetzlar:

  • Zur Basisqualifizierung von Neulingen bereits aktive Lotsinnen und Lotsen hinzuziehen, um ein besseres Einfinden in das bestehende Team zu ermöglichen.

  • Besondere Wertschätzung erfahren die Lotsinnen und Lotsen, wenn sie aus Händen des Oberbürgermeisters oder Bürgermeisters ihrer Kommune ihre Zertifikate erhalten.

  • Nicht gut an kam in Wetzlar das Angebot, Sprechstunden im Rathaus abzuhalten, da dies mit Behördengänge in Verbindung gebracht wird. Sinnvoller ist ein neutraler, unverfänglicher Ort wie z.B. eine Bibliothek oder ein Quartiersbüro.